Ich find’s super, wenn die einen reich erben und die anderen nicht.
Was bedeutet es, Vermögen zu erben? Dass man damit andere für sich arbeiten lassen kann. Geld ist ja unter anderem Verfügungsgewalt über die Arbeitskraft und -zeit anderer. Das ist doch schonmal gut.
Wenn ich also reich erbe, kann ich künftig die Bäckerin weiterhin jeden Morgen für mich Brötchen backen lassen, ohne dass ich jemals wieder etwas für sie (oder jemand anderen) tun müsste. Okay, ich muss ihr jedes Mal ein paar Münzen über den Tresen geben, und die muss ich vorher vom Geldautomaten abheben – aber das schaffe ich gerade eben noch. Das ist dann aber auch alles, was ich an Arbeit für die Gemeinschaft zu tun habe.
Ich versuche gerade, meinen Mitbewohnern das Konzept schmackhaft zu machen: Ich habe in der WG-internen Lotterie gewonnen. Jetzt muss ich mein Leben lang nicht mehr putzen, kochen und spülen, sondern lasse das meine Mitbewohner für mich machen. Mjam, abends gibt’s immer lecker Essen, der eine kann echt gut kochen. Und wenn’s nicht sauber ist, schimpfe ich sie manchmal ein bisschen, damit das besser klappt.
Leider finden sie das Konzept bislang nicht überzeugend. Diese Schlaumeier. Das muss an der Größe liegen: In so einer WG fällt das auf, wenn einer sagt, er wär was Besseres. Schade. In so einer schönen großen Gesellschaft ist das offenbar leichter. Da hält das niemand für krank.
Ich werd’s meinen Mitbewohnern vielleicht irgendwie anders verkaufen müssen. Im Mittelalter hatte Gott solche Ungleichheiten gewollt. Das war schön simpel. Jetzt im Kapitalismus muss man ein bisschen mehr rumschwurbeln, von wegen Elite, Leistungsträger, harte Arbeit der Eltern, gleiche WG-Lotterie-Chancen für alle …
Moment mal, das hieße allerdings, ich könnte auch verlieren in der WG-Lotterie? Und dann würde ich mein Leben lang für die anderen malochen müssen?
Hm, nee, das ist natürlich tatsächlich noch nicht optimal dann.
Okay, ich hab’s: Wir könnten doch einfach alle gewinnen! Schließlich haben wir alle die gleichen Chancen! Dann müssen wir alle nie wieder putzen und spülen und kochen. Das wird paradiesisch!
Okay, okay, ich weiß schon, das wird so nicht klappen. Irgendwer muss verlieren, wenn wir unser WG-Leben als Lotterie organisieren.
Aber jetzt hab ich’s: Wer nicht gewinnt, ist selber schuld (faul, blöd, …)! Ha! So wird’s gehen!
Jetzt sind meine Mitbewohner blöder Weise nicht faul und blöd. Ach, Mist. Ich kenne eigentlich niemanden, der faul und blöd ist. Ich kenne nur Leute, die für mich malochen müssen (die Bäckerin) und dafür von irgendwelchen reichen Erben als blöd abgestempelt werden, damit diese nicht selber die Brötchen backen müssen.
Ich krieg einen Drehwurm im Kopf. Vielleicht ist das mit dem Erben doch komplizierter, als ich gedacht habe. Wenn ich endlich geerbt habe, habe ich bestimmt genug Zeit, mir da mal in aller Ruhe Gedanken zu zu machen. Wahrscheinlich sind deshalb die Uni-Hörsäle auch voller Erb*innen und nicht so voller Arbeiter*innen: Weil die Erb*innen deutlich mehr Zeit brauchen, um sich schlaue Begründungen für ihre gesellschaftliche Vormachtstellung auszudenken. Das ist natürlich ein Problem, das die Arbeiter*innen nicht haben. Die Glücklichen.
Ich hoffe, das ergibt jetzt alles irgendwie Sinn für Sie. Ich selbst hab grad so ein bisschen den Faden verloren.
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