Das mit den strukturellen Arschlöchern gefällt mir gut. Das erklärt so einiges. Zum Beispiel, was nette Polizist*innen sind. Sind halt nett. Und außerhalb des Dienstes auch keine Arschlöcher. Aber im Dienst hilft’s nichts. Wenn’s den Befehl zu knüppeln gibt, dann wird geknüppelt. Oder racial geprofiled. Oder Wohnungen geräumt. Da kann die nette Polizist*in in dem Moment praktisch nix für, dass sie halt ein strukturelles Arschloch ist.
Von strukturellen Arschlöchern gepelpt
Auch mit den Reichen ist das so. Ich kenne viele nette Reiche. Bin selbst reich und versuche nett zu sein. Aber weil es reich nur gibt wegen arm, und weil arm einfach von vorne bis hinten unfair ist, bin ich halt auch ein strukturelles Arschloch. Wenn ich zum Beispiel wollte, könnte ich meiner Mieterin ordentlich Feuer unterm Hintern machen. So kann die mir gar nicht das Leben zur Hölle machen wie ich ihr. Beziehungsweise wenn sie’s versuchen würde, würde ich ihr die Polizei auf den Hals hetzen.
Machse nix. Außer Kapitalismus durch was Gerechteres ersetzen. Wo’s dann auch keine wohnungsräumenden Polizisten mehr hätte. So kämen wir alle raus aus der Nummer.
Ich find’s ganz schön schlimm, in was für einer Gesellschaft wir leben. Macht mich jeden Tag fertig. Am Bodensee war’s auch ätzend. Lauter Deutsche mit zu viel Geld. Ohne Ende Arschlöcher und Idioten. Gestern habe ich zu meinem Freund gesagt: „Die Gesellschaft teilt sich auf in Arme und Arschlöcher.“ Fand er gut. Natürlich können Arme auch Arschlöcher sein, aber nur individuell. Haben nicht genug Macht, um einem das Leben zu verleiden. Reiche hingegen sind strukturelle Arschlöcher, selbst wenn sie nett sind. Die können einem von vorne bis hinten den Tag versauen. So sehe ich das.
Meine WG und ich machen eine Landpartie mit dem Auto. Am Steuer sitzt immer, wer grad am meisten Lust dazu hat. Die anderen flätzen munter auf ihren Sitzen und albern rum.
Eine Landfahrt, die ist lustig
Vorher hatten wir gemeinsam überlegt, wohin es gehen soll. Da ich immer noch nicht zum WG-Herrscher gewählt wurde, musste das im Konsens geschehen. Naja, hat den Vorteil, dass sich am Zielort keiner beschweren kann, dass ich das schlecht entschieden hätte.
Nun sitzen wir im Auto und ich darf fahren. Hach! Eine Lust. Ich treffe alle möglichen Entscheidungen, ohne die anderen zu fragen. Ätsch! Wie schnell wir fahren. Wo lang wir fahren. Wo wir abbiegen. Wann wir überholen. Herrlich!
Bin ich endlich der Herrscher?
Ich fürchte nicht. Jeder kann sagen: „Fahr mal langsamer, ich hab Angst.“ Oder: „Jetzt leg ich mal Musik auf!“ Oder: „Wir wollten doch ins Phantasialand, warum fährst Du uns an die Nordsee?“ Kleinliche Bande.
Ich führe hier bloß das Auto. Und das auch nur, solange ich mich an die Abmachungen mit den anderen halte. Naja, aber so ist das mit Anarchist*innen. Sie übertragen einem zeitweise bestimmte Entscheidungsbefugnisse, weil’s praktischer ist, aber wenn man dann über ihr ganzes Leben bestimmen will, kriegen sie plötzlich Skrupel und lachen sich kaputt.
Erneut muss ich feststellen: So eine ganze Gesellschaft ist doch deutlich praktischer als eine kleine WG. Da könnte ich mich wenigstens für 4 Jahre zum Herrscher wählen lassen! Und dann: Nordsee, wir kommen! Und zwar rasant! Pff, mir doch egal mit Eurem Phantasialand.
Ich find’s super, wenn die einen reich erben und die anderen nicht.
Was bedeutet es, Vermögen zu erben? Dass man damit andere für sich arbeiten lassen kann. Geld ist ja unter anderem Verfügungsgewalt über die Arbeitskraft und -zeit anderer. Das ist doch schonmal gut.
Wenn ich also reich erbe, kann ich künftig die Bäckerin weiterhin jeden Morgen für mich Brötchen backen lassen, ohne dass ich jemals wieder etwas für sie (oder jemand anderen) tun müsste. Okay, ich muss ihr jedes Mal ein paar Münzen über den Tresen geben, und die muss ich vorher vom Geldautomaten abheben – aber das schaffe ich gerade eben noch. Das ist dann aber auch alles, was ich an Arbeit für die Gemeinschaft zu tun habe.
Einen Korb duftender Brötchen geerbt
Ich versuche gerade, meinen Mitbewohnern das Konzept schmackhaft zu machen: Ich habe in der WG-internen Lotterie gewonnen. Jetzt muss ich mein Leben lang nicht mehr putzen, kochen und spülen, sondern lasse das meine Mitbewohner für mich machen. Mjam, abends gibt’s immer lecker Essen, der eine kann echt gut kochen. Und wenn’s nicht sauber ist, schimpfe ich sie manchmal ein bisschen, damit das besser klappt.
Leider finden sie das Konzept bislang nicht überzeugend. Diese Schlaumeier. Das muss an der Größe liegen: In so einer WG fällt das auf, wenn einer sagt, er wär was Besseres. Schade. In so einer schönen großen Gesellschaft ist das offenbar leichter. Da hält das niemand für krank.
Ich werd’s meinen Mitbewohnern vielleicht irgendwie anders verkaufen müssen. Im Mittelalter hatte Gott solche Ungleichheiten gewollt. Das war schön simpel. Jetzt im Kapitalismus muss man ein bisschen mehr rumschwurbeln, von wegen Elite, Leistungsträger, harte Arbeit der Eltern, gleiche WG-Lotterie-Chancen für alle …
Moment mal, das hieße allerdings, ich könnte auch verlieren in der WG-Lotterie? Und dann würde ich mein Leben lang für die anderen malochen müssen?
Hm, nee, das ist natürlich tatsächlich noch nicht optimal dann.
Okay, ich hab’s: Wir könnten doch einfach alle gewinnen! Schließlich haben wir alle die gleichen Chancen! Dann müssen wir alle nie wieder putzen und spülen und kochen. Das wird paradiesisch!
Okay, okay, ich weiß schon, das wird so nicht klappen. Irgendwer muss verlieren, wenn wir unser WG-Leben als Lotterie organisieren.
Aber jetzt hab ich’s: Wer nicht gewinnt, ist selber schuld (faul, blöd, …)! Ha! So wird’s gehen!
Jetzt sind meine Mitbewohner blöder Weise nicht faul und blöd. Ach, Mist. Ich kenne eigentlich niemanden, der faul und blöd ist. Ich kenne nur Leute, die für mich malochen müssen (die Bäckerin) und dafür von irgendwelchen reichen Erben als blöd abgestempelt werden, damit diese nicht selber die Brötchen backen müssen.
Ich krieg einen Drehwurm im Kopf. Vielleicht ist das mit dem Erben doch komplizierter, als ich gedacht habe. Wenn ich endlich geerbt habe, habe ich bestimmt genug Zeit, mir da mal in aller Ruhe Gedanken zu zu machen. Wahrscheinlich sind deshalb die Uni-Hörsäle auch voller Erb*innen und nicht so voller Arbeiter*innen: Weil die Erb*innen deutlich mehr Zeit brauchen, um sich schlaue Begründungen für ihre gesellschaftliche Vormachtstellung auszudenken. Das ist natürlich ein Problem, das die Arbeiter*innen nicht haben. Die Glücklichen.
Ich hoffe, das ergibt jetzt alles irgendwie Sinn für Sie. Ich selbst hab grad so ein bisschen den Faden verloren.